DAG

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Über Raster und Fehlertoleranz

by Christoph Tannert (2008)

Die Wirklichkeit, wie DAG sie sieht, ist ein Raster, wie jene Bauzäune und Absperrgitter in der Stadt, die unseren Blick bremsen, dahinter irritierende Unsicherheiten. Dieser Künstler ist ein Magiker, der vor gewagten Konstruktionen nicht zurückschreckt und die Betrachter mitreißt in absonderliche Welten, sei es, wie in seinen Wandarbeiten, bis unsere Pupillen anfangen zu rotieren oder bis in die Muster der unterbrochenen Gleichförmigkeit in uns.

Jedes seiner Werke ist, bei aller Akribie des Anfertigungsprozesses, ein unberechenbares Gestaltphänomen. Das liegt wohl an jenem Flackern, jenen aus der Ebenmäßigkeit ausbrechenden Momenten, mit denen er das Leinwandkarree interessant macht. Farbe setzt dabei die entscheidenden Pointen. DAG arbeitet oft mit Brush-Markern, er ist fixiert auf ungemischte Farben. Lieber kauft er im Baumarkt ein als im Künstlerbedarf. Vorwiegend finden bei ihm Bildformate in den Größen 80 x 80 cm oder auch 140 x 140 cm Verwendung.

Wir sehen, dass sich Verkleinerungs- und Vergrößerungsperspektiven, Nähe und Ferne zu den Raster-Elementen als zwei Extreme, nicht grundsätzlich voneinander unterscheiden. Der neugierig-staunende Blick kann sich zwischen Nähe und Distanz ungestraft entfalten und selbst entdecken. Hier wird aus dem scheinbar ziellosen Schweifen des Blicks ein sortierendes, klassifizierendes und analysierendes Durchdringen. Das Auge ist das entscheidende Erkenntnisinstrument. DAG zoomt hin und her. Im Torso geht er aufs Ganze. Aus der Mikro-Fundierung leitet er seine Makro-Modelle her. Eines ist mit dem anderen verzahnt. Beide Ebenen beleben sich gegenseitig und erzählen viel übereinander. Das Vermessene, so meint man, wird zum Abbild des Absoluten. Eigentlich muss man sagen: Der Mikrokosmos ist der Makrokosmos. Genau diese Erkenntnis unterstreicht die Geschlossenheit des ästhetischen Konzepts.

DAGs Bilder entwickeln ihre Faszination im Spannungsfeld von Abstraktion und Konkretisierung. Die Gestaltwerdung ist bei ihm ein offener Prozess, der je nach Anlass und örtlicher Herausforderung mal als Tafelbild mal als Farb-Form-Verlauf auf einer Club-Wand seinen Richtungsverlauf sucht. Dieser Künstler führt sein Publikum über großzügig und vielfältig angelegte Strukturfelder. Von der Winzigkeit in die Monumentalität, von der Fläche in den Raum. Er lässt den Betrachter dabei Luft holen und die Schönheit der Details begreifen. Das Wunder der Mutation, die Funktionalität der optimalen Form.

Selbstgenügsam ist seine Kunst, ihre Botschaft ist die des Optimums an Selbstbezüglichkeit. Ist sie deshalb frei von Sinn? Keineswegs. Das Mustererzeugen, das Kreieren von Modulen, der bescheidene Anfang, der im Pixelhaften liegt, und die offensive Wandgestaltung, die den Muster-Bruch favorisiert, weniger wohltemperiert, weniger homogen, beides genügt dem Slow-Burn-Prinzip und sucht die Verlangsamung des Blicks.

Was so karg, geometrisch und rational daherkommt, ist auch strukturell gegen die Langweile gedacht und geht spielerisch mit jeder Art von Fehlern um. Dadurch werden ständig neue Bildimpulse kreiert. Irrtümer wirken als Animatoren. DAG ist von seinem Wesen ein ungemein dynamischer Typ, der ständig in Bewegung ist. Das Eigentliche seiner Bilder verlangt deshalb auch nicht nach Fixierung, sondern lädt ein zum Tempowechsel. Wenn man DAGs Bilder als Handlungszusammenhänge versteht, erschließt sich einem, dass sie keine perfekt programmierten Regelwerke sind. Stattdessen sprechen Sie mit großer Leichtigkeit von gelungenem Fehlermanagement.

In DAGs jüngsten Werken wird die Tendenz hin zur Individualisierung des Rasters besonders deutlich. Der Künstler setzt mittels farbiger Heraushebung einzelner Bildteile neue Akzente. Was man als Binnenzeichnung im Spannungsfeld zwischen Gegenständlichkeit und Gegenstandslosigkeit beschreiben könnte, ist der Beginn der Flächenauflösung. Entsteht etwas oder verfällt es? Egal. DAG betont damit seine Freude am Widerspruch. Er erweitert sein Bildvokabular. Ordnung wird mit Lust aus der Ordnung gebracht.